Starke Frauen: Gerlinde S.
Mit dieser Geschichte einer meiner besten Freundinnen, die fast genau ein Jahr vor mir an Brustkrebs erkrankt ist, möchte ich eine Serie unter dem Titel „Starke Frauen“ beginnen und lade auch Euch hezlich ein, mir auch Eure ganz persönliche
Geschichte zu erzählen. Unter „Monas Blog“ findet ihr einen Button „Schreiben Sie Mona„. Hier könnt ihr mir alles, was Euch bewegt, worüber ihr Informationen braucht,….schreiben.
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„Mein Name ist Gerlinde Stadtherr, ich bin 49 Jahre, verheiratet und habe eine 20-jährige Tochter.
Am 8. März 2010 hat sich mein Leben innerhalb einer halben Stunde komplett verändert.
Bei meiner jährlichen Vorsorgeuntersuchung wurden nach der Mammographie mittels Ultraschall ein Knoten in meiner rechten Brust und eine Veränderung an einem Lymphknoten in der Achsel festgestellt.
Ich fühlte mich, als ob mir jemand mit einem Hammer auf den Kopf geschlagen hätte. Ich wusste im ersten Moment gar nicht was ich jetzt tun sollte.
Mein Hausarzt empfahl mir die Brustambulanz im KH Baden.
Ich hatte das Gefühl, dass das alles gar nicht wirklich passiert, sondern das alles nur ein schlechter Traum ist und ich nur aufwachen muss, damit alles wieder so ist wie früher. Ich war wie gelähmt und war froh, dass ich durch meine Arbeit im Büro ein wenig abgelenkt wurde. Zu Hause hätte ich wahrscheinlich die Tapeten von den Wänden gekratzt.
Am 10.3. bin ich also mit meinem Befund in die Brustambulanz gegangen. Die Wartezeit dort war schrecklich. Eine junge Ärztin hat mich dann untersucht. Sie war wirklich sehr nett, versuchte mich zu beruhigen und ist mit dem Befund, weil ihr Oberarzt gerade operierte, in den OP gelaufen, hat ihm die Bilder gleich dort gezeigt und mit ihm die weitere Vorgehensweise besprochen.
Noch am gleichen Tag wurde die Biopsie gemacht und ich bekam schon vorsorglich einen OP-Termin für den 26.3. Wir wollten noch das histologische Ergebnis der Biopsie abwarten, aber dass der Knoten operiert werden muss, egal ob gut- oder bösartig, wusste ich schon zu diesem Zeitpunkt.
In der folgenden Woche versuchte ich, mit der neuen Situation zu Recht zu kommen und den Alltag wie üblich zu bewältigen. Ich akzeptierte den Umstand, dass ich Brustkrebs haben könnte und wollte die gutgemeinten Phrasen „ es wird schon gut gehen“, „das wird schon nichts böses sein“, einfach nicht mehr hören. Ich für mich hab schon im ersten Moment damit gerechnet, dass es ein bösartiger Tumor ist und ich wusste, dass ich das Beste aus der Situation machen muss. Das war ich schon meinem Mann und meiner Tochter schuldig.
Das Schlimmste in dieser Zeit ist allerdings das Warten auf Ergebnisse und die Ungewissheit, was passiert weiter mit mir.
Als nach einer Woche das Ergebnis da war und ich in der Brustambulanz gleich mal als erste aufgerufen wurde, war mir alles klar – der Knoten war bösartig!
Am 26.3 wurde ich also operiert und dabei wurden mir auch alle Lymphknoten in der Achsel entfernt.
Jetzt hieß es wieder eine Woche warten – diesmal auf den histologischen Befund der Lymphen und des Knotens. Von diesem Ergebnis war die weitere Therapie, mit Chemo und Bestrahlung oder nur Bestrahlung, abhängig.
Aber auch hier hatte ich nicht allzu viel Glück – es waren 2 Lymphknoten befallen und somit konnte mir die Chemotherapie leider auch nicht erspart bleiben. Das gute an der Geschichte war, dass der Tumor hochgradig hormonempfindlich war und ich daher zusätzlich auch noch eine Hormontherapie bekommen könnte.
Während der ganzen Zeit vor, während und nach der Operation ist es mir ganz gut gelungen, stets positiv zu denken und mit Humor und vor allem der großartigen Unterstützung meiner Familie diese Situation in den Griff zu bekommen.
Bei der onkologischen Begutachtung am 13.4.2010 wurde meine ganze positive Einstellung die ich mir in den letzten 4 Wochen mühsam aufgebaut hatte mit einem einzigen Gespräch zunichte gemacht.
Es ist mir schon klar, dass man über die auftretenden Nebenwirkungen während und nach einer Chemotherapie unbedingt aufgeklärt werden muss, allerdings kann man das auch menschlicher und etwas einfühlsamer machen…..
Zu diesem Zeitpunkt habe ich mir gedacht – es ist eh völlig egal, was ich jetzt mache, ich sterbe entweder am Krebs oder an der Chemo. Das war mein Eindruck nach diesem Gespräch.
Ich ließ mir im KH auch einen Port Katheter implantieren, damit ich mir die Chemotherapie erleichtern konnte.
Am 14.4.2010 habe ich mit dem 1. von 6 Zyklen der Chemotherapie begonnen.
Meine Chemo bekam ich mittels Infusion in der Tagesklinik der Onkologie in Baden, das dauerte insgesamt ca. 5-6 Stunden. Danach konnte ich gleich nach Hause.
10 Tage später musste ich immer zur Blutkontrolle und nach 11 Tagen bekam ich dann schon wieder die nächste Chemo.
In der ersten Woche nach der Chemo war mir oft ziemlich übel und ich hatte furchtbare Kreislaufprobleme, aber in der Woche nach der Blutkontrolle hab ich mich immer recht gut gefühlt. Natürlich, je länger die Therapie dauerte, umso schlechter ging es mir.
Nach der 2. Chemo sind mir dann alle Haare ausgefallen. Ich wusste das und hab mir meine langen Haare schon vor der 1. Chemo ganz kurz abrasieren lassen und die Perücke getragen. Aber der Zeitpunkt, an dem ich die Haare mit dem Handtuch vom Kopf wischen konnte, war einer der schlimmsten für mich. Ich hab mir auch immer wieder im Internet Schmink-Tips und Infos zum Binden von Tüchern geholt, weil es für mich ganz wichtig war, dass man mir nicht gleich ansieht, dass ich krank bin.
Mit der Chemotherapie war ich Mitte August, also nach 18 Wochen, fertig.
Anschließend bekam ich im Krankenhaus Wiener Neustadt 30 Bestrahlungen.
Danach war ich zwar furchtbar müde aber sonst hab ich sie eigentlich ganz gut vertragen. Ich hatte auch nicht allzu große Probleme mit Verbrennungen.
Seit September 2010 mache ich zusätzlich noch eine Anti-Hormontherapie und die Misteltherapie.
Anfangs musste ich alle 3 Monate zu den Kontrolluntersuchungen, jetzt nach 3 Jahren – alle 6 Monate. Bis jetzt sind alle, Gott sei Dank, gut ausgegangen.
Ich hab in dieser Zeit versucht, mein Leben so normal wir möglich zu leben. Natürlich gab und gibt es leider noch immer mehr oder weniger große Einbußen – es ist nichts mehr so wie früher, aber man darf sich nicht gehen lassen und auf keinen Fall in Selbstmitleid verfallen. Was ich nicht wollte, war Mitleid, viel wichtiger sind Menschen mit denen man reden kann. Ganz wichtig ist es auch, Hilfe anzunehmen, denn die braucht man unbedingt. Ich spreche auch ganz offen über meine Krankheit.
Erst nachdem die ganzen Behandlungen, Chemo und Bestrahlungen, vorbei waren, das war Mitte Oktober 2010, hab ich bemerkt, dass es mir psychisch nicht mehr ganz so gut geht. Vorher war ich so damit beschäftigt, eine Therapie oder Untersuchung nach der anderen hinter mich zu bringen, und plötzlich war das alles vorbei. Da beginnt man dann halt nachzudenken. Aber auch das geht vorbei und mittlerweile arbeite ich auch schon wieder seit Mai 2011.
Nachdem ich nach 13 Monaten Krankenstand wieder in meinen alten Job im öffentlichen Dienst, den ich sehr gerne ausgeübt habe, zurückgekommen bin, konnte ich mir nicht mehr vorstellen, diese Arbeit bis zu meiner Pension durchzuhalten.
Ich hatte täglich mit vielen Menschen zu tun, die vor allem mit ihren Beschwerden und Problemen zu uns gekommen sind – nur diese „Probleme“ waren seit meiner Erkrankung für mich persönlich keine „Probleme“ mehr, ich wusste, was es heißt, wirklich mit Problemen konfrontiert zu werden. Meine Aufgabe war es, diese Menschen zu beruhigen, ihre Beschwerden und Probleme ernst zu nehmen, zu bearbeiten, weiterzuleiten und dabei immer freundlich und zuvorkommend zu bleiben.
Ich musste dabei feststellen, dass ich das nicht mehr mit der gewohnten Gelassenheit und Souveränität schaffe, also beschloss ich, dass sich auch in diesem Bereich meines Lebens etwas ändern muss!
Diesmal hatte ich Glück – und seit Anfang dieses Jahres habe ich eine leitende Position in einer anderen Abteilung. Auch hier habe ich mit vielen Menschen und ihren Problemen zu tun – nur diese Menschen haben wirkliche, ernsthafte, existenzielle „Probleme“, die verständlich und greifbar sind – und denen ich nun versuche, zu helfen. Das ist eine Aufgabe die mich wirklich interessiert und ich hoffe, in dieser Richtung auch noch einiges zu bewirken. Es macht mich glücklich, wenn ich auch nur einem meiner „Kunden“ helfen konnte.
Was die Vorsorgeuntersuchungen betrifft finde ich, dass es unbedingt notwendig ist mit der Mammographie auch gleich den Ultraschall durchzuführen und das wenn möglich immer vom gleichen Arzt.
Denn eines weiß ich sicher, ohne Ultraschalluntersuchung wäre ich lt. meinem Radiologen eine Todeskandidatin gewesen. Denn der Knoten war nicht einmal 1 cm groß und bei der Mammographie fast nicht zu sehen.
So schlimm die Diagnose Brustkrebs auch war, für mich hat sie auch einiges Positives gebracht. Ich hab ein paar wirklich sehr gute Freunde gewonnen und irgendwie ein neues Selbstbewusstsein und ein ganz anderes Körpergefühl bekommen. Aber vor allem habe ich meine Lebenseinstellung komplett geändert. Ich lebe jetzt und versuche nichts aufzuschieben.
Es würde mich freuen, wenn ich mit meinem Bericht einen kleinen Beitrag im Kampf gegen den Brustkrebs leisten kann.“