Starke Frauen: Gabriele H.
Guten Tag,
mein Name ich Gabriele Herzog, ich lebe mit meinem Mann und unserem Sohn in Salzburg und hatte bis zum Mai 2012 gedacht, ich werde mit dem Mann den ich vor 27 Jahren kennen- und lieben gelernt habe, alt. Leider hat sich die Sachlage am Montag den 21. Mai 2012 dramatisch geändert.
Nach einigen Voruntersuchungen mit Mammographie, CT, MRT, Knochenscan und einer Biopsie wurde mir an diesem Tag mitgeteilt, dass ich einen bösartigen Tumor in einer meiner Brüste habe und der Tumor auch schon die Lymphe einer Achsel und die Leber befallen bzw. gestreut hatte. Die Nachricht traf mich nicht wirklich wie aus heiterem Himmel. Aufgrund der vielen vorangegangen Untersuchungen hatte ich schon eine Vorahnung dass hier etwas Schlimmes auf mich zukommen würde. Aber das hat meine Vorstellungskraft übertroffen.
Da mein Mann zu dieser Zeit gerade auf einer Geschäftsreise war und unser Sohn kurz vor der Ablegung der mündlichen Matura war, erzählte ich diese „Neuigkeit“ zu allererst einer meiner Schwestern. Erst als ich ihr die Diagnose mitgeteilt hatte, konnte ich zum ersten Mal weinen. Die Tragweite der Diagnose „metastasierender Brustkrebs“ war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst.
Meinem Mann habe ich die Nachricht einige Tage später mitgeteilt und meinen restlichen Geschwistern zwei Tag vor meinem 49. Geburtstag, der am 28. Mai sein sollte.
Am 4. Juni gingen mein Mann und ich zur Therapiebesprechung in die Landesklinik Salzburg. Hier wurden alle meine Fragen zur Gänze beantwortet und mein Wunsch, die Therapie erst nach dem 15. Juni zu beginnen, wurde respektiert. Meine Frage ob es eine Alternative zur Chemo gibt wurde mit einem Nein beantwortet. Ich sagte mir nur „auf in den Kampf“.
Den Nachmittag des 15. Juni verbrachten wir mit unserem Sohn bei einem Weißbier. Er hatte am Vormittag die Matura mit Bravour abgelegt und wir waren mächtig stolz auf ihn. Es war mir persönlich unheimlich wichtig, dass er bis dahin nicht von meiner Krankheit wusste. Am selben Abend feierten wir mit seinen Schulfreunden, Professoren und Freunden den Abschluss seiner Schullaufbahn sprachen mit voller Freude über die bevorstehende Maturareise die am 19. Juni los ging.
Der 18. Juni, der Tag an dem ich meinem Sohn die schreckliche Nachricht überbringen musste, war einer der schwierigsten in meinem Leben bis dahin. Eine Mutter sollte seinem Kind so eine Mitteilung nie machen müssen. Aber das Leben ist nun mal nicht immer einfach. Er hat es sehr gefasst aufgenommen und wollte wissen, warum er der letzte in der Familie war der es erfahren hat. Anfangs war er über den Vertrauensverlust enttäuscht, aber nachdem ich ihm erklärt hatte, dass ich bzw. wir wollten, dass er sich voll und ganz aufs Lernen konzentrieren sollte, hat er es doch verstanden. Ich konnte ihn dann mit gutem Gewissen und erleichtert am 19. Juni mit seinen Schulkollegen auf Urlaub fahren lassen.
19. Juni 2012: An diesem Tag hat mein Mann Geburtstag, meine Schwester Christine ebenfalls und ich startete mit meiner ersten Chemo- und Antikörpertherapie. Da ich mit heftigem Fieber darauf reagierte wurde ich auch die weiteren Mal stationär aufgenommen. Nach der fünften Chemo mussten wir mit dieser Behandlung aufhören da die Polyneuropathien an Füßen und Händen immer schlimmer wurden. Nun bekam ich alle 3 Wochen nur mehr die Antikörpertherapie.
19. Dezember 2012: An diesem Tag startete ich mit einer neuen Chemo- und Antikörpertherapie nach dem Peruse Protokoll. Da sich zwischenzeitlich auch Metastasen im Brustbein entwickelt hatten, entschloss ich mich an dieser Studie teilzunehmen. Diese Medikamente erhielt ich bis Anfang Juni 2013. Es hatte sich herausgestellt, dass ich auch nun auf diese Therapie nicht mehr ansprach und die Lebermetastasen stark an Größe und Anzahl zugenommen hatten.
1. Juli 2013: Start mit der T-DM1 Studie. Diese Therapie vertrage ich bis dato relativ gut und hoffe, dass ich diese Behandlung länger als nur wenige Monate vertrage bzw. sich die Lage nicht verschlechtert.
Die Empfindungsstörungen an den Füßen haben sich bis dato nicht zurückgebildet und habe ich gelernt damit umzugehen. An den Händen sind die Störungen zur Gänze verschwunden. Die Probleme die sich bei der jetzigen Behandlung zeigen, sind eine extreme Müdigkeit die auch einige Tage nach der Therapie noch anhält und Schlafstörungen die ich mit autogenem Training, Yoga und viel positiven Gedankengut im Griff habe.
Aber nicht immer. Es gibt natürlich auch schlechte Tage an denen ich den Sinn der Behandlung in Frage stelle. Ich weiß, dass die palliative Chemotherapie meine Lebensqualität aufrecht erhalten soll und mir ein halbwegs normales Leben ermöglichen soll. Aber wie lange bin ich bereit das durchzustehen. Alle drei Wochen in die Tagesklinik zu gehen um mir „meine Ration“ abzuholen.
Diese und viele anderen Fragen stelle ich den Ärzten in der Lebensstilambulanz. Aber darauf kann nur ich mir die Antwort geben. Und entsprechend meiner Tagesverfassung ändern sich meine Sichtweisen permanent.
Viele bewundern die Art und Weise wie ich mit meiner unheilbaren Krankheit umgehe. Aber was bleibt mir denn anderes übrig als dem Krebs den Kampf anzusagen. Ich war noch nie eine die schnell aufgegeben hat. Bei acht Geschwistern ist man einiges gewohnt und hier kommt auch die Kraft her, die meine derzeitige Lebenssituation fordert. Meine eigene kleine Familie und auch meine und unsere gemeinsamen Freunde sind ebenfalls sehr wichtige Lebensbegleiter für die sich das „Durchhalten“ lohnt.
Auch den Sport darf ich nicht vergessen. Heuer im Frühjahr ging ich mit weiteren 7 Brustkrebspatientinnen in ein monatelanges Wanderprojekt, dass eine ehem. Betroffene, gemeinsam mit der Krebshilfe Salzburg initiiert hatte. Da Projekt hieß „still bergauf“. Am Ende haben wir alle Ende September einen 3.000er bestiegen. Dieses Ziel hatten wir uns im März gesetzt und dann umgesetzt. Wir hatten viel Spaß, haben sehr nette, wertvolle Menschen kennengelernt, neue Freundschaften geschlossen und ihm (dem Krebs) den Kampf angesagt. Weder Regen noch Schnee oder Kälte haben uns vom Ziel abweichen lassen und als wir dann oben beim Gipfelkreuz auf 3.022 m waren, waren wir überwältigt und stolz auf uns.
Durch meine Ausbildung zur Lebens-, Sterbe- und Trauerbegleiterin im Hospiz Salzburg vor einigen Jahren, kann ich auch mit der Endlichkeit meines Lebens besser umgehen. Die befristete Lebenszeit die
mir durch die Krankheit gegeben ist, kann ich, für mich persönlich gesagt, sehr gut nutzen. Ich kann sehr persönliche Dinge für meine Lieben fertigstellen und mich bewusst mit dem Jetzt auseinandersetzen.
Ich finde es z.B. unendlich schade, dass ich die zukünftige Frau meine Sohnes nie kennen lernen werde, weiß nicht ob er bzw. seine Partnerin je Kinder bekommen wird, was macht er nach dem Studium, werde ich bei seiner Sponsionsfeier am 15. Oktober 2016 dabei sein, wie wird mein Mann mit der Situation zurecht kommen, wird er sich wieder verlieben können (ich wünsche es ihm so sehr) und vieles mehr. Auf diese Fragen gibt es für mich keine Antwort. Ich weiß nur eines, und zwar, dass ich aufgrund meiner Krankheit vieles bewusster erlebe.
Aber solange der Knoten in meiner Brust nicht wieder zu wachsen beginnt, die Metastasen halbwegs im Griff scheinen und ich die Behandlung als erträglich finde, solange genieße ich das Leben und gehen erhobenen Hauptes durch diese schöne Welt.
Passt auf euch auf da draußen!!
Gabriele