Vermeidung unnötiger Chemotherapien
Mit einem neuen Testverfahren kann am Brustgesundheitszentrum des Comprehensive Cancer Center Vienna (CCC- bgz) der Medizinischen Universität Wien und des AKH Wien das Rückfallrisiko einer an Brustkrebs erkrankten Patientin noch besser bestimmt und die Therapie darauf zielgenau, individualisiert und rasch ausgerichtet werden.
Die herkömmliche Prognoseabschätzung allein anhand der klinischen Parameter, wie Tumorgröße, Lymphknotenbefall, Alter und Hormonempfindlichkeit bzw. Hormonrezeptorstatus, kann gerade bei Frauen mit einem mittleren oder niedrigen Rückfallrisiko schnell zur Gabe einer nicht nötigen und belastenden Chemotherapie führen.
Prosigna®-Test
Mit dem „Prosigna®-Test“ wird sowohl das Rückfallrisiko der einzelnen Patientin abgeschätzt, als auch der Tumor einer bestimmten biologischen Subgruppe des Mammakarzinoms zugeordnet. Diese Informationen dienen der Entscheidung zur unterstützenden medikamentösen (adjuvanten) Therapie nach der Operation.
Der „Prosigna®-Test“ ist ein so genannter Gensignaturtest, der die Aktivität von 50 verschiedenen Krebsgenen im Tumor bestimmt. „Es werden vor allem Sequenzen gesucht, die mit der Wachstumsaktivität und somit der Aggressivität des Tumors assoziiert sind“, erklärt Prof. Gnant. Der Test wurde in den Vereinigten Staaten entwickelt und ist dort von der FDA (Food and Drug Administration) für die klinischen Routine zugelassen. Eine CE-Zertifizierung für die Europäische Union, und damit die Zulassung für die klinische Anwendung, besteht bereits ebenso.
CCC- bgz ist Vorreiter
Prof. Michael Gnant, Vorstand der Universitätsklinik für Chirurgie der Medizinischen Universität Wien und des AKH Wien, stv. Leiter des CCC und Präsident der Austrian Breast and Colorectal Cancer Study Group, erläutert: „In Österreich, sowie in den angrenzenden ost-europäischen Ländern sind wir die erste Universitätsklinik, die den Prosigna®-Test in ihre klinische Arbeit für eine individualisierte Therapieempfehlung für die Patientin einbezieht.“
Die Aufarbeitung des Tumors erfolgt am Institut für Klinische Pathologie der MedUni Wien aus Formalin-fixiertem Gewebe, das für die histopathologischen und molekularen Untersuchungen aufbewahrt wird.
Datensicherheit
Im Vergleich zu ähnlichen Gensignatur-Tests, die auf dem Markt angeboten werden, findet sowohl die Tumoraufarbeitung als auch die Messung und Auswertung der Tumoraktivität im Labor des Universitätsklinikums und nicht in zentralen Laboratorien der herstellenden Unternehmen im Ausland statt.
„Damit sorgen wir für eine größtmögliche Datensicherheit“, sagt Prof. Christian Singer, stellvertretender Leiter des Brustgesundheitszentrums. Zudem liegt das Testergebnis auch und insbesondere bezüglich des späten Rückfallrisikos und der Einteilung in die biologische Subgruppe bereits wenige Tage nach der Operation vor und kann zeitnah bei der interdisziplinären Tumorkonferenz des Brustgesundheitszentrums zur Therapieempfehlung mit heran gezogen werden.
Rasche klinisch relevante Ergebnisse
Die gesamte molekularpathologische Untersuchung findet vor Ort am Klinischen Institut für Pathologie der MedUni Wien statt. Somit kommt es zu keinem Zeitverlust durch die Versendung des Tumormaterials.
Der Prosigna®-Test wurde an über 2400 Patientinnen in zwei prospektiv geplanten klinischen Studien mit einer Verlaufskontrollzeit von über mehr als 10 Jahren validiert, an der maßgeblich auch die „Austrian Breast Cancer Study Group“ (ABCSG) um Michael Gnant beteiligt war.
Bis zu einem Drittel weniger Chemotherapien
In Österreich erkranken jedes Jahr etwa 5.200 Frauen an einem Mammakarzinom (Brustkrebs). In den meisten Fällen liegt kein Lymphknotenbefall vor und die meisten Tumoren sind Hormonrezeptor-positiv d.h. sie sind empfindlich für weibliche Sexualhormone (Östrogene).
Vom Prosigna®-Test wird erwartet, dass er unter den Patientinnen mit Hormonrezeptor-positiven Tumoren diejenigen identifizieren kann, die nur ein sehr geringes Rückfallrisiko haben (sogenannter Luminal A-Typ; unter zehn Prozent Rezidivrisiko in den nächsten zehn Jahren) und mit einer reinen antihormonellen Therapie ausreichend behandelt sind.
Andere hormonrezeptorpositive Tumoren haben Eigenschaften, die ein hohes Rezidivrisiko annehmen lassen (sogenannter Luminal B-Typ), Patientinnen mit diesen Tumoren bedürfen im Allgemeinen einer adjuvanten (unterstützenden) Chemotherapie.
Gnant: „Durch den Einsatz des Prosigna®-Tests erhofft man sich, etwa einem Drittel der betroffenen Patientinnen eine Chemotherapie zu ersparen, da sie nur ein geringes Rückfallrisiko innerhalb der nächsten zehn Jahre haben.“ Die Therapie wird damit noch besser auf die individuellen Tumoreigenschaften ausgerichtet: Sie werden effektiver eingesetzt und Übertherapien sowie damit verbundene Nebenwirkungen können vermieden werden.