Nebenwirkungsmanagement
Interview mit Frau Assoz.Prof.PDDr Vesna Bjelic-Radisic zum Thema Nebenwirkungen und Nebenwirkungsmanagement bei metastasierten Brustkrebs
Mit welchen Nebenwirkungen werden Sie am häufigsten konfrontiert?
Die Therapie des metastasierten Brustkrebses ist sehr individuell und muss immer wieder neu überdacht und geplant werden. Bis heute gilt ein metastasierter Brustkrebs als unheilbare Erkrankung, aber dank der vielfältigen Therapien sind die Verläufe der Erkrankungen oft dem Verlauf einer chronischen Erkrankung ähnlich.
Die Symptome können Folge der Erkrankung oder Folge der Therapie sein. Meistens handelt sich um eine Kombination.
Da Therapien immer wieder geändert werden bzw. die Absiedelungen von Tumorzellen verschiedene Organe betreffen, können die Symptome sehr unterschiedlich sein.
Sie reichen von Knochenschmerzen bei Absiedelungen im Knochen, Spannungsgefühl und Verdauungsbeschwerden bei Ascites (Wassersammlung in der Bauchhöhle) bis zu Veränderungen im Blutbild, die Patientinnen für Infektionen anfälliger machen können.
Weitere Symptome sind akute und chronische Müdigkeit, Bluthochblutdruck, Haut- und Schleimhautveränderungen nach Chemo- oder zielgerichteten Therapien bis hin zu Wechselbeschwerden bei antihormonellen Therapien.
Nicht zu vergessen sind späte Nebenwirkungen, wie z.B. Kardiotoxizität, periphere sensorische Neuropathie oder kognitive Störungen, die erst jahrelang später auftreten bzw. als „Dauer“ Symptom nach einer Therapie bestehen bleiben.
Eines der häufigsten Symptome, welches einen sehr starken Einfluss auf die Lebensqualität hat ist das sogenannte Fatigue-Syndrom, ein Zustand der chronischen Müdigkeit und Erschöpfung, charakteristisch nicht nur für Brustkrebs, sonders für alle anderen Arten von Krebs.
Obwohl Patientinnen ausreichend schlafen, sind sie in der Früh nicht ausgeschlafen und können oft einfache Arbeiten nicht verrichten.
Manche beschreiben diesen Zustand eher als körperliche Erschöpfung, für andere steht eher eine psychische Erschöpfung und Antriebslosigkeit im Vordergrund.
Diese Erschöpfung muss auch nicht unbedingt im Zusammenhang mit dem Fortschreiten der Erkrankung stehen. Auch Patientinnen mit einem stabilen Krankheitsverlauf können diese Symptome haben.
Ein Großteil der Patientinnen mit metastasierendem Brustkrebs hat eine endokrine Therapie mit den typischen Nebenwirkungen: Wechselbeschwerden, Hitzewallungen, Gelenkschmerzen, Konzentrationsschwäche und Gewichtszunahme.
In den letzten Jahren ist eine Fülle von den neuen „zielgerichteten“ Therapien auf dem Markt gekommen mit vielversprechenden Resultaten in Bezug auf Lebensverlängerung, allerdings kämpfen Patientinnen mit den Nebenwirkungen dieser Therapie, wie z.B. Schleimhautveränderungen im Mund (Stomatitis), Durchfälle (Diarrhö), Lungenerkrankung (Pneumonitis) etc.
Wie können Sie PatientInnen helfen?
Akute Symptome, die Folge der Erkrankung sind, bessern sich mit dem Ansprechen auf die Therapie bzw. werden auch in der akuten Phase symptomatisch behandelt. Z. B. bei Kurzatmigkeit und Spannungsgefühl durch Wassersammlung im Bauch werden Entlastungpunktionen durchgeführt.
Bei Knochenschmerzen, als Folge von Absiedelungen im Knochen kann neben der zielgerichteten Therapie auch eine Bestrahlung durchgeführt werden.
Auf der einen Seite führt die Bestrahlung zur Stabilisierung der Erkrankung, auf der anderen Seite werden dadurch auch Schmerzen gemildert.
Symptome die als Folge von Therapien entstehen werden gezielt therapiert und behandelt. Aus dem Grund sind engmaschige klinische Kontrollen der Patientinnen sehr wichtig und notwendig. Manches Mal können auch vorbeugend Medikamente gegeben werden, z.B. wird Übelkeit mit sog. Antiemetika behandelt, oft vorbeugend, wenn man weiß dass eine bestimmte Therapie diese Nebenwirkungen nach sich zieht. Oder wenn eine Therapie Mundschleimhautentzündungen verursacht, wird ebenfalls eine Prophylaxe (Spülung der Mundhöhle, weiche Zahnbürste, Vermeidung von starken Gewürzen, regelmäßige Zahnhygiene und Zahnarztbesuche) durchgeführt. Neben diesen gezielten Therapien gibt es einige Möglichkeiten, Patientinnen selbst bei der Bekämpfung von Nebenwirkungen zu unterstützen.
Vielleicht für den Laien unverständlich kann bei chronischer Müdigkeit, ein individuelles Bewegungstraining helfen.
Sollten Begleiterkrankungen vorhanden sein, sollten diese ebenfalls behandelt werden. Ein wichtiger Auslöser für chronische Müdigkeit sind Schmerzen. Ausreichende Schmerztherapie ist heutzutage ein „muss“ in der Behandlung dieser Patientinnen. Eine psychosoziale Begleitung kann auch oft sehr hilfreich sein. Nebenwirkungen von endokrinen Therapien können durch körperliches Training gemildert werden.
Wieweit sind Nebenwirkungen für Betroffene akzeptabel?
Mit den heutigen Therapiemöglichkeiten und Unterstützungsangeboten, die von Medikamenten bis zur psychologischen und sozialen Unterstützung reichen, ist es möglich, die Nebenwirkungen gut zu kontrollieren bzw. zu therapieren. Eine ausgewogene Ernährung, mit der Unterstützung einen Fachmannes/einer Fachfrau, viel Bewegung mit entsprechender Begleitung kann die Bekämpfung der Nebenwirkungen unterstützen.
Was sollten PatientInnen auf keinen Fall tun?
Es wird oft über einer Krebsdiät gesprochen. Aber: Eine Krebsdiät gibt es nicht, obwohl auf diesem Gebiet viel geforscht wurde. Auf eigene Initiative verschiedene “Aufbaumittel oder Nahrungsergänzungsmittel“ zu nehmen, kann nicht empfohlen werden.
Gibt es eine Art „Nebenwirkungsbegleitung“?
Engmaschige Kontrolle, medizinische und psychologische, sogenannten psychoonkologische Begleitung ist „standard of care“ in Österreich. Bei Bedarf kann diese Begleitung auch auf verschiedene sozialrechtliche Unterstützung erweitert werden, um Wege aufzuzeigen, wie Frauen Hilfe bekommen können, wenn sie mit dem Alltag alleine nicht mehr zu Recht kommen. Auch Hinweise auf Beratungsstellen, Hilfe bei Antragstellungen für mobile Hilfe sowie die Unterstützung durch Selbsthilfegruppen, die österreichweit unseren Patientinnen zur Verfügung stehen, sollten angeboten werden.
Vielen Dank für das Interview
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