Einfluss des Glaubens auf die Psyche
Auszüge aus einem Gespräch zwischen Michael Utsch und Anne Francoise Weber
Anne Francoise Weber ist deutsch-französische Sozialwissenschaftlerin und Journalistin.
Michael Utsch ist promovierter Psychologe und ausgebildeter Psychotherapeut, Referent bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin und Leiter des Referats „Religiosität und Spiritualität“ der DGPPN, der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde.
Der feste Glaube an Gott kann bei einer Krankheit eine große Hilfe sein. Glauben kann aber auch krank machen. Wie, wann und warum Religionen auf die Seele von Menschen wirken, erläutert der Psychotherapeut Michael Utsch.
Hochreligiöse Menschen haben weniger Schmerzen“
Der feste Glaube an Gott kann bei einer Krankheit eine große Hilfe sein.
Anne Francoise Weber: Wenn wir schon nicht wissen, wie sehr uns Religionen oder der Glaube ins Jenseits begleiten, dann können wir aber doch fragen, wie viel sie uns im Leben helfen.
Studien haben gezeigt, dass sich zum Beispiel bei Brustkrebspatientinnen eine starke, vertrauensvolle Gottesbeziehung positiv auf die Verarbeitung der Krankheit auswirken kann.
Die Wirkung des Glaubens ist ambivalent
Michael Utsch: Die Wirkungen des Glaubens sind durchaus ambivalent. Es kann sehr schädlich sein, an bestimmten rigorosen Gewaltfantasien und Gottesbildern festzuhalten und von dort Druck zu empfinden, sich gemaßregelt zu fühlen, aber empirische Studien belegen auch eindeutig, dass andere Gottesvorstellungen – eben diesen mütterlichen, zugewandten, freundlichen, barmherzigen Gott – dass solche Bilder, Vorstellungen durchaus ein Gesundheitsplus bewirken, die jetzt auch zunehmend von der Medizin und Psychotherapie erforscht werden. Man will also wissen, gibt es Bewältigungsstützen, gibt es Resilienzfaktoren, die sich aus dem religiösen Glauben, aus bestimmten religiösen, spirituellen Praktiken und Überzeugungen speisen. Das wäre ja eine sehr interessante Alternativmedizin, wenn wir Techniken wüssten, die in Krisensituationen stabilisierend helfen können.
Wir wissen aber, dass Bindungserfahrungen unsere Persönlichkeit maßgeblich prägen, und solche Bindungserfahrungen werden ja in den ersten Jahren maßgeblich festgelegt, und heute ist man soweit, dass man sagt, auch die Beziehung zu einem unbekannten, unsichtbaren Dritten, also auch zum Gottesbild kann man eine Bindung aufbauen und dass also Bindungserfahrungen zu Gott durchaus auch so einen Faktor darstellen, den man untersuchen kann, wo man schauen kann, wie hat meine Form der Bindung zum Transzendenten – wenn man das jetzt mal allgemein formulieren würde – welche Auswirkungen hat das auf Krisensituationen, auf die Bewältigung von Schmerzen und Leiden.
Wer tief glaubt, kann Krisen besser meistern
Da gibt es schon erstaunliche Ergebnisse, dass also zum Beispiel hochreligiöse Menschen durchaus schmerzunempfindlicher sind, weil sie andere Weisen der Verarbeitung haben. Sie können Schmerzen, sie können leidvolle Erfahrungen uminterpretieren und durch ihre religiöse Deutung dem Ganzen doch teilweise noch einen Sinn abringen und dadurch auch besser mit ihrer Situation umgehen.
Anne Francoise Weber: Und gilt das für Gläubige aller Religionen oder hat man da bisher hauptsächlich Studien für das Christentum?
Michael Utsch: Nein, das gilt auch für Gläubige anderer Religionen, also für Hochreligiöse insgesamt, allerdings muss man natürlich schon sagen, dass die meisten religionspsychologischen Studien in den USA bisher durchgeführt worden sind und deswegen die Studienlage für den christlichen Glauben besser ist, aber man ist natürlich auch dabei, andere Glaubensrichtungen dort einzubeziehen, und es ist übergreifend so, hochreligiöse Menschen können Schmerzen und Leiden besser verarbeiten und sind sozusagen schmerzunempfindlicher.
(https://www.deutschlandfunkkultur.de/)
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