Das Geheimnis der Emotionalen Intelligenz
Meistens ist es schon passiert, bevor wir beginnen konnten, darüber nachzudenken:
Unwillkürlich hat man ein charmantes Lächeln erwidert. Es gibt Dinge, die einen Menschen schneller wehrlos machen können als alle Gewalt.
Der Alltag ist voll von spontanen Resonanzphänomenen dieser Art.
Warum ist Lachen ansteckend?
Warum gähnen wir, wenn andere gähnen?
Warum öffnen Erwachsene spontan den Mund, wen sie ein Kleinkind mit dem Löffelchen füttern?
Warum nehmen Gesprächspartner unwillkürlich eine ähnliche Sitzhaltung ein wie ihr Gegenüber?
Worauf also beruht die merkwürdige Tendenz der Spezies Mensch, sich auf den emotionalen oder körperlichen Zustand eines anderen Menschen einzuschwingen?
Resonanzphänomene
Resonanzphänomene wie die intuitive Übertragung von Gefühlen oder körperlichen Gesten spielen nicht nur im privaten Umgang eine Rolle. In Politik und Wirtschaft dienen sie als Mittel zur Beeinflussung.
Beim beruflichen Führungsverhalten können sie über Erfolg und Misserfolg entscheidend. Obwohl sie für unser Erleben und Zusammenleben eine kaum zu übersehende Bedeutung haben, bleiben Resonanz und Intuition vielen Zeitgenossen suspekt.
Handelt es sich hier nicht um Einbildung, um Esoterik, jedenfalls um unwissenschaftliche Phänomene?
Mit der Entdeckung der Spiegelnervenzellen wurde es mit einem Mal möglich, sie neurobiologisch zu verstehen. Und nun zeigt sich:
In der Medizin sind Spiegelung und Resonanz eines der wirksamsten Mittel zur Heilung, in der Psychotherapie sind sie eine wesentliche Basis für den therapeutischen Prozess. Mehr noch:
Ohne Spiegelnervenzellen gäbe es keine Intuition und keine Empathie. Spontanes Verstehen zwischen Menschen wäre unmöglich und das, was wir Vertrauen nennen, undenkbar.
Die Basis emotionaler Intelligenz
Auf der Basis dessen, was Spiegelneurone bereitstellen, hat der Säugling die Chance, mit seiner Umgebung emotional in Kontakt zu treten, Signale auszutauschen und ein erstes Urgefühl des Sich-Verstehens zu entwickeln. Frühe Spiegelungen sind nicht nur möglich, sie entsprechen beim Neugeborenen einem emotionalen und neurobiologischen Grundbedürfnis. Dies zeigt sich nicht nur and den verzückt-glücklichen Reaktionen, sondern auch an markanten Signalen in der Hirnstromkurve (EEG), die sich beim Säugling durch zärtliche Imitationen hervorrufen lassen. Geglückte Spiegelungen und das auf dieser Basis entstehende Gefühl der Bindung führen zu einem Ausstoß körpereigener Opioide.
Dies erklärt nicht nur, warum zwischenmenschliche Zuwendung – wie sich auch in Studien zeigt – Schmerzen erträglicher macht, sondern auch, warum wir neurobiologisch auf Bindung geeicht sind.
(Auszüge aus dem Buch von Joachim Bauer: Warum fühle ich, was du fühlst)