Gerechtigkeit und Moral – wo sind sie geblieben?
Ich stelle mir – besonders in letzter Zeit – häufig die Frage:
Gerechtigkeit und Moral – wo sind sie geblieben?
Deshalb habe ich mich mit der Erklärung eines der wichtigsten Psychologen zu diesem Thema ein wenig auseinandergesetzt und bin zu dem Schluss gekommen, dass unsere Gesellschaft gewaltig vom Weg abgekommen ist….
Lawrence Kohlberg war ein US-amerikanischer Psychologe und Professor für Erziehungswissenschaft an der Harvard University School of Education. Kohlberg begründete eine Theorie, die die moralische Entwicklung von Menschen in Stufen einteilt, die Stufentheorie der Moralentwicklung.
Menschen, die in einer Gemeinschaft zusammenleben, müssen immer wieder zwischen den eigenen Interessen und den Interessen anderer abwägen. Wenn Menschen zu der Einsicht gelangen, dass sie einerseits den eigenen Interessen dienen, indem sie andererseits den Interessen der Anderen dienen, dann kann sich die volle Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft und Gerechtigkeit im gleichen Zusammenhang entfalten.
Kohlbergs Theorie der Moralentwicklung
Laut Kohlberg durchläuft der Mensch in seiner Moralentwicklung verschiedene charakteristische Stadien. Grundsätzlich lässt sich ein Zusammenhang zwischen Lebensalter und Grad der Moralentwicklung beobachten, auch zwischen Menschen ähnlichen Alters können jedoch bisweilen gravierende Reifeunterschiede bestehen. Die Stadien lassen sich nur in der im Folgenden geschilderten Reihenfolge durchlaufen, der „Rückfall“ in eine vorherige Stufe kommt normalerweise nicht vor.
STADIUM 1
Wenn Menschen geboren werden, dann kennen sie die Regeln dieser Welt noch nicht. Sie lernen erst mit der Zeit, welche Gesetze und welche Gesetzmäßigkeiten bzw. gesellschaftlichen Regeln in der Gesellschaft vorhanden sind. Wenn Kinder geboren werden, gilt die Mutter als hauptsächliche Bezugsperson, die das Kind durch Belohnen und Bestrafen darauf hinweist, welches Verhalten gut und schlecht ist. Auf dieser Stufe erfahren die Kinder über Belohnen und Bestrafen, was gut und schlecht ist.
STADIUM 2
Kinder entwickeln zwar im zweiten Stadium Grundzüge von Fairness, Sinn für gerechte Verteilung, aber sie sehen dabei immer ihren eigenen Vorteil als wesentlich an. Im Unterschied zum ersten Stadium treten Kinder mit ihrer Umwelt viel stärker in Beziehung.
Auf dieser Stufe befinden sich die meisten Jugendlichen und Erwachsenen. Menschen auf dieser Stufe richten ihr Verhalten ausschließlich nach den Regeln ihrer Umwelt. Anerkennung erfahren diese Gesellschaftsmitglieder, wenn sie „nett“ sind, weil sie die Verhaltensregeln einhalten.
STADIUM 3
Viele Jugendliche und Erwachsene, die sich überwiegend im 3. Stadium befinden, nehmen häufig bewusst gar nicht wahr, dass sie die Regeln der Gesellschaft leben, ohne sich jemals ein eigenes Urteil gebildet zu haben. Die Zustimmung der Umwelt stellt Dreh- und Angelpunkt der persönlichen Verhaltensweisen dar. Ein bewusstes Hinterfragen von Sinn und Zweck wird nicht angestrebt.
Richtiges Verhalten ist, was Anderen gefällt oder hilft und ihre Zustimmung findet.
Der Orientierungsrahmen wird schrittweise erweitert, so dass nicht mehr das persönliche Umfeld als Gradmesser des Verhaltens gilt, sondern die gesellschaftliche Ordnung. Demzufolge bedeutet richtiges Verhalten, seine Pflicht in diesem Rahmen zu tun. Es gilt die Denkmuster insofern zu fördern, als Fragestellungen als Untersuchungsgegenstand gelten, welche ein vernetztes Denken zwangsläufig voraussetzen. Sobald der Übergang von dem dritten zum vierten Stadium geschafft wird, kann politisches Denken nachhaltig entwickelt werden.
STADIUM 4
Erst ab dem vierten Stadium sind Menschen in der Lage, andere Interessen und Lebenswelten zu erkennen und sie gedanklich im Sinne eines Interessenausgleichs zu bearbeiten.
Orientierung an Recht und Ordnung. Autorität, festgelegte Regeln und die Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung bilden den Orientierungsrahmen.
„Richtiges Verhalten heißt, seine Pflicht zu tun, Autorität zu respektieren und für die gegebene Ordnung um ihrer selbst willen einzutreten.“
STADIUM 5
In diesem Stadium werden erstmals gesellschaftliche Regeln infrage gestellt, das heißt, dass Regeln erst nach einer kritischen Prüfung teilweise und ganz akzeptiert werden
Die Richtigkeit einer Handlung bemisst sich tendenziell nach allgemeinen individuellen Rechten und Standards, die nach kritischer Prüfung von der gesamten Gesellschaft getragen werden.
Menschen erkennen, dass ihre persönliche Sichtweise von Sichtweisen Anderer abweicht. Gleichzeitig gelangen sie zu dem Urteil, dass andere Sichtweisen auch richtig sein können. Der Standpunkt ist für die Einschätzung eines Sachverhaltes wichtig. Auf dieser Grundlage werden auf diese Weise die eigene Einstellung verändert und die eigenen Wissensbestände nachhaltig erweitert.
Menschen in dieser Stufe verfügen notwendigerweise über ein umfangreiches Maß an Bildung, welches sich sowohl auf Unterrichtsinhalte der Schule als auch auf allgemeine Grundsätze des Lebens beziehen. Solche Menschen sind am ehesten in der Lage, sich politisch für das Allgemeinwohl einzusetzen, da sie verschiedene moralische Prinzipien abzuwägen wissen. Sie können auf dieser Grundlage einen guten gesamtgesellschaftlichen Austausch erreichen.
Man ist sich der Relativität persönlicher Werthaltungen und Meinungen deutlich bewusst und legt dementsprechend Wert auf Verfahrensregeln zur Konsensfindung. Abgesehen von konstitutionellen und demokratischen Übereinkünften ist Recht eine Frage persönlicher Wertsetzungen und Meinungen. Das Ergebnis ist eine Betonung des legalistischen Standpunktes, wobei jedoch die Möglichkeit von Gesetzesänderung auf Grund rationaler Reflexion sozialen Nutzens nicht ausgeschlossen ist. Außerhalb des gesetzlich festgelegten Bereichs basieren Verpflichtungen auf freier Übereinkunft und Verträgen.
Gesellschaftsmitglieder, die diese Moralhaltung umsetzen wollen, vertreten unter Umständen in manchen gesellschaftlichen Zusammenhängen als einzige diese moralische Haltung des Abwägens und des kritischen Prüfens.
STUFE 6
Auf dieser höchsten Stufe wird das eigene Verhalten an allgemeingültigen ethischen Prinzipien gemessen.
Diese Prinzipien sind abstrakter und ethischer. Im Kern handelt es sich um universelle Prinzipien der Gerechtigkeit, der Gegenseitigkeit und Gleichheit der Menschenrechte und des Respekts vor der Würde des Menschen als individuelle Person.
(Auszüge aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Lawrence_Kohlberg)