Der metastasierte Darmkrebs
- PatientInnenportal
- 8. Juli
- 5 Min. Lesezeit
Der metastasierte Darmkrebs – eine Herausforderung in Österreich und weltweit
Darmkrebs (kolorektales Karzinom) zählt weltweit zu den häufigsten Krebsarten. Besonders besorgniserregend ist das metastasierte Stadium, in dem sich der Tumor bereits über den Darm hinaus in andere Organe ausgebreitet hat. In Österreich ist Darmkrebs nach Brust-, Prostata- und Lungenkrebs eine der vier häufigsten Krebserkrankungen – mit rund 4.500 Neuerkrankungen pro Jahr. Global gesehen liegt kolorektaler Krebs auf Platz drei der häufigsten Krebsdiagnosen.
Metastasierter Darmkrebs stellt weltweit eine medizinische und gesellschaftliche Herausforderung dar. Während in Österreich moderne Therapien zur Verfügung stehen und die Früherkennung zunehmend greift, sind in vielen Regionen der Welt Zugang, Aufklärung und medizinische Infrastruktur unzureichend. Dennoch schreiten die medizinischen Fortschritte – etwa bei der Immuntherapie – auch international stetig voran. Die langfristige Lösung liegt vor allem in der Kombination aus Früherkennung, Forschung und globaler Gesundheitsgerechtigkeit.
Was bedeutet "metastasierter Darmkrebs"?
In der metastasierten Form (Stadium IV) haben sich Krebszellen über das Blut- oder Lymphsystem vom ursprünglichen Tumor im Dick- oder Enddarm gelöst und Tochtergeschwülste (Metastasen) in anderen Organen gebildet.
Besonders häufig betroffen sind:
Die Leber (am häufigsten bei Darmkrebs)
Die Lunge
Das Peritoneum (Bauchfell)
Selten auch Gehirn oder Knochen
Die Diagnose eines metastasierten Tumors verändert die Therapieziele wesentlich: Heilung ist nur noch in wenigen Fällen möglich. Im Vordergrund stehen Lebensverlängerung, Krankheitskontrolle und Lebensqualität.
Verbreitung in Österreich und weltweit
Österreich: Laut Statistik Austria erkranken jährlich etwa 2.400 Männer und 2.100 Frauen an Darmkrebs. Rund ein Viertel der Fälle wird bereits im metastasierten Stadium diagnostiziert.
Weltweit: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählte 2022 etwa 1,9 Millionen Neuerkrankungen. In vielen Ländern mit westlichem Lebensstil ist die Erkrankungsrate hoch, während sie in Entwicklungsländern tendenziell steigt – vermutlich aufgrund zunehmender Urbanisierung und Ernährung nach westlichem Muster.
Risikofaktoren – global ähnlich
Unabhängig von der Region gelten weltweit ähnliche Risikofaktoren:
Alter: Über 90 % der Fälle treten nach dem 50. Lebensjahr auf.
Ernährung: Hoher Konsum von rotem oder verarbeitetem Fleisch, wenig Gemüse und Ballaststoffe
Bewegungsmangel und Übergewicht
Rauchen und Alkohol
Familiäre Vorbelastung und genetische Syndrome (z. B. Lynch-Syndrom)
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
In Österreich und Europa fördern Aufklärung und Vorsorgeprogramme die Früherkennung – weltweit ist der Zugang zur Vorsorge jedoch sehr unterschiedlich.
Symptome – oft spät erkannt
Darmkrebs entwickelt sich meist schleichend. Symptome bei metastasiertem Befall sind:
Allgemeinsymptome: Müdigkeit, Gewichtsverlust, Leistungsknick
Darmbezogen: Blut im Stuhl, veränderte Stuhlgewohnheiten, Bauchschmerzen
Metastasen-bedingt:
Leber: Druckgefühl, Ikterus (Gelbsucht)
Lunge: Husten, Luftnot
Bauchfell: Aszites (Bauchwassersucht)
Diagnosemethoden
In Österreich steht die moderne Medizin zur Verfügung.
Die Diagnostik umfasst:
Koloskopie (Darmspiegelung) mit Gewebeprobe
Bildgebung: CT, MRT, PET-CT zur Feststellung von Metastasen
Blutuntersuchungen inkl. Tumormarkern (v. a. CEA)
Molekulare Analyse: RAS-, BRAF- und MSI-Status zur Therapieplanung
In einkommensschwachen Ländern ist die Diagnostik oft eingeschränkt – viele Fälle werden erst im Spätstadium entdeckt.
Therapieansätze im fortgeschrittenen Stadium
Die Behandlung ist multidisziplinär. Auch in Österreich richtet sich die Therapie nach internationalen Leitlinien (z. B. ESMO, NCCN):
1. Systemische Chemotherapie
Kombinationstherapien wie FOLFOX oder FOLFIRI
Ziel: Tumorverkleinerung, Krankheitskontrolle, ggf. OP-Vorbereitung
2. Zielgerichtete Therapien
Anti-VEGF (Bevacizumab) – hemmt Gefäßneubildung
Anti-EGFR (z. B. Cetuximab) – nur bei RAS-Wildtyp
In Österreich über das Gesundheitssystem gut zugänglich; in vielen Ländern nur eingeschränkt verfügbar
3. Immuntherapie
Nur bei Tumoren mit Mikrosatelliteninstabilität (MSI-high) wirksam
Checkpoint-Inhibitoren wie Nivolumab oder Pembrolizumab
4. Chirurgie bei Metastasen
Bei begrenztem Befall (z. B. wenige Lebermetastasen) ist eine Heilung möglich
Österreich bietet spezialisierte Zentren für solche Eingriffe
5. Palliative Maßnahmen
Schmerztherapie, Ernährungsunterstützung, psychosoziale Begleitung
Lebensqualität steht im Vordergrund
Prognose – Verbesserungen, aber große Unterschiede
In Österreich leben heute etwa 65–70 % der DarmkrebspatientInnen fünf Jahre nach Diagnose – bei metastasiertem Befund deutlich weniger (ca. 15–20 %)
Weltweit variiert die Überlebensrate stark – in einkommensstarken Ländern deutlich besser aufgrund besserer Diagnostik und Behandlungsmöglichkeiten
Früherkennung ist entscheidend
In Österreich gibt es seit Jahren strukturierte Vorsorgeprogramme (z. B. Darmkrebsvorsorge ab 50). Koloskopien werden von der Sozialversicherung übernommen – mit hoher Teilnahmequote sinkt die Sterblichkeit.
International hinken viele Länder bei der Früherkennung noch hinterher. Die WHO empfiehlt den weltweiten Ausbau von Screening-Programmen.
Metastasierter Darmkrebs – einfach erklärt
Darmkrebs ist eine der häufigsten Krebsarten. Er entsteht meist im Dickdarm oder Enddarm. Wenn der Krebs früh erkannt wird, ist er oft gut behandelbar. Wird er aber zu spät entdeckt, kann er sich im Körper ausbreiten. Das nennt man „metastasierten Darmkrebs“.
Was bedeutet „metastasiert“?
Metastasen sind Ableger des Krebses. Das heißt: Die Krebszellen haben sich vom Darm gelöst und andere Organe befallen – zum Beispiel die Leber oder die Lunge. Der Krebs ist dann nicht mehr nur im Darm, sondern auch an anderen Stellen im Körper.
Wie merkt man das?
Manche Menschen spüren lange nichts. Später können diese Beschwerden auftreten:
Blut im Stuhl
Bauchschmerzen
Ständiger Wechsel zwischen Durchfall und Verstopfung
Müdigkeit, Abnahme von Gewicht
Husten oder Atemnot (wenn die Lunge betroffen ist)
Schmerzen im rechten Oberbauch (wenn die Leber betroffen ist)
Wie wird das festgestellt?
ÄrztInnen machen eine Darmspiegelung, Bluttests und Bilder vom Körper (z. B. mit CT oder MRT). So sieht man, wo der Krebs ist und ob er sich schon ausgebreitet hat.
Welche Behandlungen gibt es?
Metastasierter Darmkrebs ist schwer heilbar. Aber es gibt gute Behandlungen, um den Krebs zu bremsen und Beschwerden zu lindern:
Chemotherapie (Krebsmedikamente)
Zielgerichtete Therapien (neue Medikamente, die gezielt Krebszellen angreifen)
Operationen, wenn Metastasen gut entfernt werden können
Immuntherapie, bei bestimmten Tumorarten
Palliative Pflege, um Schmerzen und Beschwerden zu lindern
Was kann man selbst tun?
Früherkennung ist sehr wichtig. In Österreich wird ab 50 Jahren eine Darmspiegelung empfohlen. Die Krankenkasse zahlt das. So kann man Darmkrebs oft verhindern oder früh behandeln.
Metastasierter Darmkrebs: Molekularbiologie und Therapie
1. 🩺 Allgemeines
Das metastasierte kolorektale Karzinom (mCRC) ist eine fortgeschrittene Form von Darmkrebs, bei der sich Tumorzellen über den Primärtumor hinaus in andere Organe (meist Leber, Lunge, Peritoneum) ausgebreitet haben. Die Behandlung basiert heute auf einer Kombination aus Chemotherapie, zielgerichteten Therapien, Immuntherapie und zunehmend auf molekularen Profilen des Tumors.
2. 🔬 Wichtige molekulare Marker
Die Therapieauswahl beim mCRC hängt stark von der molekularen Charakterisierung des Tumors ab. Relevante Marker sind:
Gen/Marker | Bedeutung | Therapieauswirkung |
KRAS/NRAS | Onkogene Mutationen (~50 %) | Kein Ansprechen auf EGFR-Inhibitoren |
BRAF V600E | Aggressive Subform (~8–10 %) | Kombi-Therapien notwendig (z. B. BRAF/EGFR-Inhibitor) |
MSI-H/dMMR | Mikrosatelliteninstabilität (~5–15 %) | Gute Ansprechrate auf Immun-Checkpoint-Inhibitoren |
HER2-Amplifikation | Überexpression in ~2–3 % | Zielgerichtete Anti-HER2-Therapien möglich |
NTRK-Fusionen, ALK, RET | Sehr selten (<1 %) | Zielgerichtete Therapien verfügbar (z. B. Larotrectinib) |
TP53, APC, PIK3CA | Häufig, aber (noch) keine direkten Therapien | Forschung läuft; indirekte Bedeutung für Resistenzmechanismen |
3. 🧪 Therapiemöglichkeiten im Überblick
A. Standard-Chemotherapie
FOLFOX (5-FU, Leucovorin, Oxaliplatin)
FOLFIRI (5-FU, Leucovorin, Irinotecan)
In Kombination mit zielgerichteten Substanzen verlängert sich die Überlebenszeit deutlich.
B. Zielgerichtete Therapien
Zielstruktur | Medikament(e) | Voraussetzung |
EGFR | Cetuximab, Panitumumab | Nur bei RAS-Wildtyp |
VEGF | Bevacizumab | Standard in Kombination mit Chemo |
BRAF V600E | Encorafenib + Cetuximab | BRAF V600E-positive Patienten |
HER2 | Trastuzumab + Lapatinib/Tucatinib | HER2-Überexpression |
KRAS G12C | Sotorasib + Cetuximab (in Studien) | Nur bei KRAS G12C-Mutation (~3–5 %) |
C. Immuntherapie
Checkpoint-Inhibitoren (z. B. Pembrolizumab, Nivolumab ± Ipilimumab)
➤ Nur wirksam bei MSI-H oder Mismatch-Repair-defizienten Tumoren (dMMR)
4. 📈 Therapieprinzipien bei mCRC
Erstlinientherapie orientiert sich an:
➤ molekularem Profil (RAS/BRAF/MSI)
➤ Tumorlokalisation (rechtsseitig vs. linksseitig)
➤ Allgemeinzustand (ECOG)
Ziel: Tumorverkleinerung (bei potenzieller Resektion), Lebensverlängerung, Symptomkontrolle
Zweit- und Drittlinientherapie: Wechsel der Chemoregime, Einsatz von Immuntherapie oder Studiendrogen bei Progress
5. 🧠 Individualisierte Therapieentscheidungen
Die Auswahl der Therapie basiert zunehmend auf einem präzisionsmedizinischen Ansatz. Moderne molekulardiagnostische Methoden wie Next-Generation Sequencing (NGS) helfen, geeignete Zielstrukturen zu identifizieren und die bestmögliche Therapie für den einzelnen Patienten zu wählen.
6. 🔍 Ausblick
Kombinationsstrategien (z. B. BRAF + EGFR, KRAS + SHP2) zeigen Fortschritte in klinischen Studien.
Adoptive Zelltherapie und mRNA-Immuntherapien werden derzeit für personalisierte Ansätze erprobt.
Die Überlebenszeit von PatientInnen mit mCRC hat sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt, liegt heute in gut behandelbaren Fällen bei >30 Monaten.